Guadeloupe-Tagebuch von Hermann Keller

Unser Capitano Freddy zündete ein Feuerwerk

Von Hermann Keller

Foto zu dem Text "Unser Capitano Freddy zündete ein Feuerwerk"
Hermann Keller (Embrace the World, li) und seine Teamkollegen bei der Tour de Guadeloupe| Foto: Embrace the World

06.08.2019  |  (rsn) - Ein tropisches Hallo zur 3. Etappe, auf dem Programm standen heute vier Bergwertungen, wovon eine direkt nach dem Start auf uns wartete. Die Marschroute war daher klar: den ersten Berg überleben und dann möglichst lange bei dem Capitano bleiben und unterstützen.

Das Wetter heute war geprägt von tropischen Regenschauern. Glücklicherweise hatten wir aber ein trockenes Zeitfenster zwischen der Ankunft am Startort und dem Start, so dass wir zumindest beim Umziehen nicht nass wurden. Nachdem wir uns alle mit Sonnencreme eingeschmiert und genügend Verpflegung eingepackt hatten, konnte der Spaß beginnen.

Direkt in den ersten Berg hinein griffen die ersten Fahrer an und sorgten so für ein äußerst hohes Tempo. Das Feld zerfiel in einige Gruppen, ich selbst war bei der Kuppe des Berges zusammen mit Duffi und einigen weiteren Fahrern zwar hinter dem Feld, aber in Sichtweite. Während das "Sprinterzimmer“ (Duffi, Simon und ich sind Zimmerkollegen) am Berg zu kämpfen hatten, deckte das andere Zimmer (Freddy, Basti und Peschgi) am Berg die Attacken ab. So wurde es mir zumindest berichtet, gesehen habe ich es leider nicht.

Duffi und ich stürzten uns also bei Platzregen und Ölflecken eher vorsichtig als wild in die Abfahrt und gaben auf der anschließend folgenden Ebene alles, um wieder den Anschluss zur ersten Gruppe herzustellen. Nach knapp einer Stunde Hinterherhetzen fanden wir uns mit Basti und Freddy zusammen im ersten Feld wieder. Während Peschgi wieder einmal in der Spitzengruppe unterwegs war, konnte Simon den Anschluss nicht mehr herstellen. Er beendete das Rennen in guter Gesellschaft im Gruppetto.

Zurück im Feld kümmerten wir uns um unseren Capitano, hatten aber nicht allzu viel zu tun. Er meinte er fühle sich nicht ganz so gut, deshalb war der Plan, ihn vorne in den Berg reinzufahren. Der Weg zum Berg war nicht sehr spannend, hauptsächlich waren wir damit beschäftigt, unserem Körper genügend Flüssigkeit zuzuführen. Allerdings fand ich keinen Betreuer am Straßenrand, da Micha mit dem Auto hinter der Spitzengruppe war. Er hatte sich aber mit den Freunden vom Matrix Team abgesprochen, die uns in diesem Fall verpflegen wollten.

Ich machte also Andrea (Niesing, die Matrix-Teamchefin) am Streckenrand aus, sie sah mich aber nicht kommen. Da ich die Flasche unbedingt wollte, stiebitze ich sie ihr einfach direkt aus der Hand. Sie erschrak, ließ die Flasche aber glücklicherweise los. Als es dann auf den Berg zuging, wurde das Tempo immer schneller, was es nicht unbedingt leichter machte nach vorne zu fahren.

Ich war sehr erleichtert, als ich wenige Kilometer vor dem Berg Basti zusammen mit dem Capitano am Hinterrad sehr weit vorne im Feld sah. Ich machte mich sofort auf den Weg, nutzte jede sich bietende Lücke aus und war, als hätte ich es geplant, genau zum Anfang des Anstieges an der Spitze des Feldes. Hinter mir war Fred und dahinter befand sich Basti.

Selbstverständlich kam die erste Attacke nach ca. 100 Metern im Berg. Das Team Barbados griff mit zwei Fahrern an, da der Berg aber wirklich sehr lange und vor allem steil war, meinte Fred ich solle sie erstmal fahren lassen. Ich muss sagen, ich war nicht traurig darüber, da die beiden doch sehr sportlich losgestiefelt sind. Ich gab mein Bestes und fuhr ca. die ersten zwei Kilometer des Anstiegs von vorne. Als ich dann ausgedient hatte und rechts zur Seite schwenkte, bedankte Freddy sich noch höflich und ich zog den Parkschein.

Ab jetzt hieß es für mich wieder einmal Energiesparmodus bis in’s Ziel. Wieder beeindruckend waren die Zuschauermassen, die mir die verschiedensten Rufe zum Anfeuern um die Ohren pfefferten. Von einem rhythmischen “Komm schon“ bis zu einer französischen Warnung vor einer Radarfalle war wirklich alles dabei. Bis zur Spitze des Berges war ich dann wirklich weit abgeschlagen, dennoch schrien mich die Zuschauer, die nur einen Korridor offengelassen hatten, den Berg nach oben. Wirklich eine sehr schöne Stimmung hier. Darüber hinaus reichten sie auch Getränke an und beschütteten die Fahrer immer wieder mit kaltem Wasser.

Während ich mich von den Zuschauern bedienen ließ und beinahe das Radrennen vergaß, zündete Freddy vorne ein Feuerwerk. Er parierte alle Attacken am langen Berg, an der Kuppe wurde dann die Spitzengruppe um Peschgi eingeholt, was dann zu einer für uns optimalen Situation mit zwei Fahrern in der Kopfgruppe führte. Das reichte dem Capitano aber nicht aus. Er holte den Hammer raus und zog im Solo davon.

Innerhalb von zwölf Kilometern fuhr er sich einen Vorsprung von 1:30 Minuten auf die Verfolger heraus und beendete die tolle Teamarbeit mit einem beeindruckenden Sieg! Auch Basti und Peschgi platzierten sich noch sehr gut im Tagesergebnis. Freddy ist nun Dritter im Gesamtklassement und liegt absolut in Schlagdistanz. Während er und der Rest seines Zimmers sich vermutlich auf die morgige, noch schwierigere Etappe freuen, ist unserem Zimmer zum etwas flau im Magen. Vielleicht hilft dagegen aber ein ausgiebiges Frühstück am sehr leckeren Buffet!

Vielen Dank für’s Lesen und bis morgen!

Herzallerliebste Grüße,

Hermann

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