Müllers Uruguay-Tagebuch

Was an Bergen fehlt, macht der starke Wind absolut wett

Von Robert Müller

Foto zu dem Text "Was an Bergen fehlt, macht der starke Wind absolut wett"
Radtransport bei der Uruguay Rundfahrt | Foto: Robert Müller

01.04.2023  |  (rsn) - Hola de Montevideo, Uruguay. Heute ging die Rundfahrt mit der ersten Etappe über 172 km richtig los, und zwar härter, als mir lieb war. Uruguay ist ja ein ziemlich flaches Land, es gibt keine echten Berge und daher dachte ich, dass ich mich zum Einrollen schön gemütlich ins große Feld würde setzen können, aber komplett falsch gedacht. Was an Bergen fehlt, macht nämlich der starke Wind absolut wett und der kam fast den ganzen Tag von rechts. Das bedeutet, dass man die ganze Etappe auf der Windkante am äußersten linken Straßenrand an der Grasnarbe verbringt.

Dort standen allerdings auch alle Autos, LKWs und Busse, die für uns angehalten wurden und man musste höllisch aufpassen, nicht in ein Fahrzeug einzuschlagen. Jedes Mal ging dann eine Welle durchs Feld und Stürze blieben natürlich nicht aus. Zweimal war ich auch fast dabei, aber ich konnte mich im letzten Moment noch retten. Die Sturzgefahr ist hier nicht unerheblich, denn es ist nichts abgesichert. Verkehrsinseln und Speedbumps tauchen ohne Vorwarnung plötzlich auf. Man muss also die ganze Zeit hoch konzentriert sein und kann sich nicht entspannen.

Das Rennen lief bis zur Hälfte nach Schema F. Recht früh löste sich eine Vier-Mann-Gruppe, die bis auf zwei Minuten weggelassen wurde und die Brasilianer, die das Gelbe Trikot haben, kontrollierten den Laden. Dann wurde es jedoch plötzlich unnormal schnell, das Feld zerfiel in Gruppen und ich war richtig am Klemmen, so hart war ich lange nicht mehr gefahren. Kurzzeitig verlor ich bei sehr starkem Seitenwind auf der Windkante den Anschluss zur ersten Gruppe, konnte jedoch in der Kolonne wieder ranfahren. Durch diese Aktion hatten wir die Ausreißergruppe nach ca. 90 Kilometer wieder eingeholt.

Nun entwickelte sich ein sehr ekliges, unrhythmisches Rennen und ich hatte öfter mehr Laktat in den Beinen, als gut für mich ist. Daher dachte ich daran im Finale reißen zu lassen, um mir nicht gleich auf der ersten Etappe richtig einen einzuschenken. Doch 10 Kilometer vor dem Ziel kam meine Rettung in Form einer Richtungsänderung, denn wir drehten voll in den Gegenwind und plötzlich ließ es sich im nur noch etwa 70 Fahrer großen Peloton recht leichtfüßig mitrollen. Ich dachte gar nicht daran, irgendwie zu versuchen, im Wind nach vorne zu fahren, sondern blieb einfach im hinteren Bereich des Feldes und rollte so ins Ziel. Das kam dann recht unerwartet, denn es gab keine einzige Kilometer-Anzeige und keinen Teufelslappen.

Meine fünf Teamkollegen und ich sturzfrei im Feld an und unser Chilene fuhr sogar auf den 8. Platz. Gestern haben wir übrigens herausgefunden, dass ich im Dezember bei meinem Bikepacking-Trip direkt an seinem Haus vorbei gefahren war. Er spricht zum Glück gut Englisch und ist daher unser Dolmetscher, denn unser uruguayischer Sportlicher Leiter kann nur Spanisch, so wie viele hier und daher ist die Kommunikation schwierig. Schwierig war auch das Verladen unserer Räder auf unseren Team-Pickup-Truck für den Transfer nach der Etappe. Der Kleinbus, den wir ursprünglich bekommen hatten, war schon auf dem Weg zum Ort des Prologs kaputt gegangen.

Als wir nach dem Transfer im Hotel ankamen, gab es pappiges Schnitzel mit Kartoffelbrei als Mittagessen. Man muss wie bei jeder “exotischen“ Rundfahrt essen was es gibt und wann es etwas gibt und darf dabei nicht wählerisch sein. Als Vegetarier hätte man es hier jedenfalls außerordentlich schwer, denn die uruguayische Küche ist sehr fleischlastig. Ansonsten trinken alle ständig Mate-Tee und aus irgendeinem Grund ist Michael Jackson ziemlich angesagt. Morgen geht es über 184 Kilometer und ich hoffe auf weniger Wind und wenn, dann bitte frontal von vorne.

Morgen gleiche Stelle gleiche Welle

Gez. Sportfreund Radbert

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.04.2023Es war eine erfolgreiche Resozialisierung ins Peloton

(rsn) - Hola de Montevideo, Uruguay. Am elften Tag stand heute die 10. und letzte Etappe über nochmal 200 Kilometer an. Frühstück gab es in der Unterkunft im Fußball Stadion nicht, es wurden also

09.04.2023Massenschlafsaal als Unterkunft und Götterspeise zum Nachtisch

(rsn) - Hola de Punta del Este, Uruguay. Heute Morgen gab es in dem Schullandheim, in dem wir untergebracht waren, nur kalten Reis von gestern und Äpfel zum Frühstück, mehr nicht. Zum Start konnte

09.04.2023Auf der letzten Rille noch den Zug nach vorn erwischt

(rsn) - Hola de Rocha, Uruguay. Der Wecker klingelte kurz vor sechs Uhr und es gab sogar ein bescheidenes Frühstück. Der wieder über 200 Kilometer lange Transfer zum Start sollte 6:30 Uhr starten

07.04.2023Zu viele Fragen darf man hier nicht stellen

(rsn) - Hola de Melo, Uruguay. Heute sollte es bereits um sechs Uhr Frühstück geben, gab es aber nicht. Das kommt hier manchmal vor, sagt uns vorher aber niemand. Überhaupt läuft die Kommunikatio

06.04.2023Unterwegs mit auffälligen Fahrern und einem Vollidioten

(rsn) - Hola de Tacuarembo, Uruguay. Der Tag begann schon um sechs Uhr, denn vor dem Start um 8:30 Uhr hatten wir noch einen einstündigen Transfer zu absolvieren. Die ganze Rundfahrt-Karawane stoppt

05.04.2023Gegen die Zahnschmerzen gab es eine Spritze in den Hintern

(rsn) - Hola de Paysandu, Uruguay. Heute Morgen suchte mein belgischer Teamkollege Kim den Rennarzt auf, da er in der Nacht wegen starker Zahnschmerzen kaum schlafen konnte. Der Arzt meinte, er hätte

04.04.2023Nach Abbruch: Die Letzten waren diesmal tatsächlich die Ersten

(rsn) - Hola de Mercedes, Uruguay. Heute konnte ich länger schlafen, erwachte aber zum unschönen Prasseln des Regens ans Fenster des Hotelzimmers. Ich habe wohl das Wetter zu voreilig gelobt, denn

03.04.2023Reinier ist trotz Windkantenstress wohl nicht ausgelastet

(rsn) - Hola de Trinidad, Uruguay. Der Tag begann für mich wieder sehr früh, denn wegen des Jetlags (es ist hier fünf Stunden früher als in Deutschland) war ich bereits gegen 4:30 Uhr wach und kon

02.04.2023Ohne Profil und Streckenkarte wurde es eine Fahrt ins Blaue

(rsn) - Hola de Durazno, Uruguay. Heute früh (Freitag, d. Red.) herrschte etwas Aufregung, weil alle unsere Ersatzlaufräder verschwunden waren. Sie sind deutlich beschriftet, also glaubten wir nicht

31.03.2023Beim Prolog im Dunkeln lief es wie erwartet schlecht

(rsn) - Hola de Colonia, Uruguay. In den nächsten zehn Tagen werde ich hier von der 78. Vuelta Ciclista del Uruguay berichten, der ältesten Rundfahrt Amerikas. Sie findet in der uruguayischen Touris

Weitere Radsportnachrichten

04.06.2024Pogacar: “Vingegaard wird in guter Verfassung starten“

(rsn) – Auch wenn noch nicht bestätigt ist, dass Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt zur 111. Tour de France wird antreten können, geh

04.06.2024Trotz überragendem Giro: Alaphilippe verzichtet auf die Tour

(rsn) – Nach seiner sportlichen Wiederauferstehung beim Giro d’Italia wird Julian Alaphilippe (Soudal – Quick-Step) seinen zu Beginn des Jahres erstellten Rennkalender nicht abändern. Das bedeu

04.06.2024Tiberi tritt nicht mehr zur 3. Dauphiné-Etappe an

(rsn) – Nachdem er als Gesamtfünfter und Gewinner des Weißen Nachwuchstrikots des Giro d’Italia (2.UWT) imponiert hatte, wollte Antonio Tiberi seine Form nutzen, um auch beim Critérium du Dauph

04.06.2024Van Aert und Laporte trainieren mit Vingegaard in der Höhe

(rsn) – Visma - Lease A Bike versammelt nach und nach seine möglichen Tourstarter in Tignes, wo sich das Team auf die am 29. Juni in Florenz beginnende Tour de France (2.UWT) vorbereiten soll. Insg

04.06.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

03.06.2024Roglic gewinnt nicht die Etappe, aber ein gutes Gefühl

(rsn) – Den anvisierten Etappensieg verpasste Primoz Roglic am zweiten Tag des Critérium du Dauphiné. Doch unter den Klassementfahrern hat der Kapitän von Bora – hansgrohe nach der 2. Etappe tr

03.06.2024Zeitnahme-Auswertung hält Denz beim Dauphiné im Rennen

(rsn) – Nico Denz ist am Ende der 2. Etappe beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) auf dem Col de la Loge kurz vor dem letzten Teamfahrzeug von Bora – hansgrohe und dem Besenwagen ins Ziel gekommen.

03.06.2024Froome und Woods reagieren auf L´Equipe-Bericht

(rsn) – Chris Froome und Michael Woods haben über die Social-Media-Plattform X auf einen Bericht der L'Equipe reagiert, in dem am Montag nahegelegt worden war, es habe im vergangenen Jahr Meinungsv

03.06.2024Cort Nielsen spurtet im Nebel noch an Ausreißer Armirail vorbei

(rsn) – Für Bruno Armirail (Decathlon – AG2R La Mondiale) muss es der Nebel des Grauens gewesen sein, der im Ziel der 2. Etappe der Dauphiné-Rundfahrt (2.UWT) dicht über dem Col de la Loge hing

03.06.2024Ferrand-Prévot beendet MTB-Karriere nach dieser Saison

(rsn) – Pauline Ferrand-Prévot will im kommenden Jahr ins Straßen-Peloton zurückkehren. Das hat die Weltmeisterin im Cross-Country auf dem Mountainbike gegenüber Eurosport bestätigt. Die FranzÃ

03.06.2024Uijtdebroeks kehrt bei Tour de Suisse ins Peloton zurück

(rsn) – Nach seinem krankheitsbedingt frühen Aus beim Giro d´Italia (2.UWT) wird Cian Uijtdebroeks (Visma – Lease a Bike) am Sonntag bei der Tour de Suisse (2.UWT) wieder ins Renngeschehen zurü

03.06.2024Politt: Mit Pogacar-Rückenwind über Dauphiné und DM zur Tour

(rsn) – Auch wenn die 1. Etappe des Critérium du Dauphiné (2.UWT) den Sprintern vorbehalten zu sein schien und es am Ende auch zur erwarteten Massenankunft kam, so hat ein Deutscher im Finale des

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Critérium du Dauphiné (2.UWT, FRA)