Teil zwei des Ludwig-Interviews

"Radsport ist mehr als Ullrich und die Tour"

28.12.2005  |  Im zweiten Teil des Interviews mit Redakteuren der Team-Website schildert T-Mobile-Chef Olaf Ludwig seine Erwartungen an die Neuzugänge wie Michael Rogers, Patrik Sinkewitz oder Linus Gerdemann und benennt seine Favoriten für die kommende Tour de France.

Mit Alexander Winokurow und Erik Zabel werden zur neuen Saison zwei " Leitwölfe" das T-Mobile Team verlassen. Wird das Auswirkungen auf die Hierarchie in der Mannschaft haben?

Ludwig: Eines erst einmal vorweg: Vino und Ete sind als Rennfahrertypen nicht zu ersetzen. Sie haben in ihrer Karriere enorm viel erreicht, sind starke Persönlichkeiten. Doch jetzt müssen wir nach vorne blicken. Wir haben neue Fahrer verpflichtet, mit denen wir taktisch eine andere Linie fahren werden. Gleichzeitig sind wir breiter aufgestellt. Kapitän des Teams wird Jan Ullrich bleiben. Er ist unser Häuptling, wenn man so will. Er besitzt das größte Potential.

So großes Potential, dass er 2006 ein zweites Mal nach 1997 die Tour de France gewinnen kann? Der eine oder andere Experte sagt beim Blick auf den Streckenverlauf, dass der Kurs Ullrich liegen könnte...

Ludwig: Der Kurs ist immer für den Stärksten geschaffen. In den vergangenen sieben Jahren war es ein Lance-Armstrong-Kurs. Sie sehen, das lasse ich so nicht gelten. Die Tour de France ist hart, vor allem die letzte Woche. In den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, dass die Allrounder am Ende ganz oben stehen, also diejenigen, die nicht nur in den Bergen stark sind. Dass zwei lange Zeitfahren im Programm vorgesehen sind, ist sicher kein Nachteil für Jan. Es heißt aber nicht, dass er deshalb die Tour gewinnt.

Sie haben in Michael Rogers und Serhiy Honchar zwei starke Zeitfahrspezialisten verpflichtet. 2006 wird es ein Mannschaftszeitfahren bei der Tour de France allerdings nicht geben...

Ludwig: Wir haben Honchar und Rogers nicht wegen des Mannschaftszeitfahrens bei der Tour ins Team geholt. Serhiy hat in den vergangenen Jahren beim Giro gezeigt, dass er ein exzellenter Rundfahrer ist. Ebenso wie Michael Rogers, der bei der Tour de Suisse in diesem Jahr und bei der Deutschland-Tour 2003 glänzte und zudem noch sehr jung ist. Die beiden können aber auch wertvolle Arbeit am Berg leisten, Löcher zufahren, Nachführarbeit leisten. Bei einem Mannschaftszeitfahren wie zum Beispiel beim Giro, sind sie natürlich eine große Verstärkung, aber sie sind auch sonst sehr wichtig für unser Team.

In Deutschland fokussiert sich das Interesse seit vielen Jahren sehr stark auf Jan Ullrich. Nun stoßen 2006 mit Linus Gerdemann und Patrik Sinkewitz zwei hoffnungsvolle Talente zum Team. Sind die beiden langfristig in der Lage, in die Fußstapfen eines Jan Ullrich zu treten?

Ludwig: Was Jan Ullrich in seiner Karriere bislang geleistet hat, ist einmalig. Diese Fußstapfen sind einfach zu groß. Zugleich ist diese einseitige Fokussierung auf Jan Ullrich nicht ganz unproblematisch, wenn ich mir das Negativbeispiel Tennis und Boris Becker vor Augen führe. Radsport ist mehr als Jan Ullrich und die Tour de France. Jens Voigt zum Beispiel brauchte viele Jahre, um als Typ und als Rennfahrer wahrgenommen zu nehmen. Das ist schade. Positiv dagegen finde ich es in der Tat, dass sich derzeit viele junge Fahrer wie Linus oder Patrik hervortun. Sie machen Mut, dass es auch nach der "Ullrich-Ära" mit dem Radsport auf diesem Niveau weitergeht. Deshalb war ihre Verpflichtung für uns auch eine perspektivische Entscheidung.

Was trauen Sie Linus Gerdemann oder Patrik Sinkewitz in den nächsten Jahren zu?

Ludwig: Ich gebe den jungen Fahrern bewusst noch keine konkreten Zielstellungen. Ich möchte ihnen Zeit geben, sich zu entwickeln. Linus zum Beispiel hat in den vergangenen Monaten enorme Sprünge gemacht und viel erreicht. Ich erwarte jetzt allerdings nicht von ihm, dass er gleich bei uns durchstartet. Er soll solide aufgebaut werden und 2006 an einer der großen Rundfahrten teilnehmen. Für Patrik ist die Tour de France ein Thema. Den erweiterten Kader dafür werden wir im Januar bekannt geben.

Neben dem T-Mobile Team und Gerolsteiner wird 2006 mit dem Team Milram eine weitere deutsche Equipe im ProTour-Zirkus unterwegs sein. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Ludwig: Ich denke, durch einen dritten deutschen Sponsor wird der Radsport in Deutschland noch mehr wahrgenommen. Und das ist für uns alle von Vorteil, wenngleich wir natürlich einen weiteren Konkurrenten im Nacken haben. Aber Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft. Ich blicke insgesamt positiv in die Zukunft. Mit der neuen ProTour-Serie und einem hoffnungsvollen Nachwuchs in Deutschland sind wir auf einem guten Weg.

Wer ist Ihr Favorit für die Tour de France 2006?

Ludwig: Ivan Basso ist es in erster Linie, den es zu schlagen gilt. Wobei er nun zum ersten Mal damit umgehen muss, als Favorit in die Tour zu gehen. Das ist eine enorme Belastung, mit der man erst einmal umgehen muss. Jan hat den Vorteil, dass er das kennt und damit auch klar kommt. Es gibt sechs, sieben Fahrer, die aufs Podest fahren können - und wer dieses Vermögen hat, kann auch gewinnen. Dazu zähle ich neben Basso und Jan auch Alejandro Valverde, Alexander Vinokourov, Floyd Landis, Damiano Cunego und Yaroslav Popovych.

Weitere Radsportnachrichten

20.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die

20.05.2024Weitere Einschränkungen für die 16. Giro-Etappe drohen

(rsn) – Bereits in der vergangenen Woche wurde der Streckenverlauf der über den Stelvio führenden 16. Giro-Etappe entschärft. Wegen Lawinengefahr nahm RCS Sport die Überquerung des 2.757 Meter

20.05.2024Algerien: Peschges wird auf neutralisierter Etappe Dritter

(rsn) - Marcel Peschges hat dem Team Embrace The World auf der 9. Etappe der Algerien-Rundfahrt (2.2) die nächste Podiumsplatzierung beschert. Der 27-Jährige sprintete Peschges in Annaba hinter dem

20.05.2024Müller sprintet bei Paris-Troyes aufs Podium

(rsn) – Tobias Müller (rad-net Oßwald) hat bei Paris – Troyes (1.2) sein erstes UCI-Podium der Saison eingefahren. Der 20-Jährige musste sich in Troyes nach 180 Kilometern im Sprint nur dem Au

20.05.2024Die Tour im Blick: Hält sich Pogacar in dritter Giro-Woche zurück?

(rsn) – Spätestens seit seiner Vorstellung auf der Königsetappe des 107. Giro d’Italia bestehen keinerlei Zweifel mehr daran, dass nur noch ein Sturz oder eine Krankheit den Gesamtsieg von Tadej

20.05.2024Umbrailpass zu Beginn, steile Rampe zum Schluss

(rsn / ProCycling) – Nachdem sich die Teilnehmer des Giro am Vortag etwas Ruhe gönnen konnten, geht es auf der 16. Etappe mit aller Härte weiter. Die Fahrer werden mit gnadenloser Berggewalt konf

20.05.2024Nur Groenewegen in Tongeren schneller als Ballerstedt

(rsn) – Maurice Ballerstedt (Alpecin – Deceuninck) hat bei der Ronde van Limburg (1.1) nur knapp seinen ersten Profisieg verpasst. Der 23-jährige Berliner musste sich bei dem belgischen Eintagesr

20.05.2024Weniger Stürze mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz?

(rsn) - Der Radsport wird technologisch immer ambitionierter. Das betrifft etwa die Materialentwicklung. Fünf Ingenieure sitzen etwa bei Colnago ganzjährig daran, die Arbeitsgeräte von Tadej Pogaca

20.05.2024Bora - hansgrohe: In der dritten Giro-Woche alle für Martinez

(rsn) – Bisher läuft der 107. Giro d´Italia für Daniel Felipe Martinez (Bora – hansgrohe) voll nach Plan. Der Neuzugang aus Kolumbien hat sich bei der ersten Grand Tour des Jahres voll auf die

20.05.2024Quinn und Faulkner gewinnen US-Meisterschaften im Straßenrennen

(rsn) - Gianni Vermeersch (Alpecin – Deceuninck) hat sich bei einem Sturz im Verlauf des Port Epic eine Fraktur des Ellenbogens zugezogen, wie sein Team auf der Plattform X mitteilte. Der Belgier mu

20.05.2024Vollering will nach “großartigem Mai“ ihre Form weiter verbessern

(rsn) – Nachdem sie lange auf ihren ersten Saisonsieg hatte warten müssen, ist bei Demi Vollering (SD Worx – Protime) in Spanien der Knoten geplatzt. Innerhalb von gerade mal drei Wochen entschie

20.05.2024Mattheis: Nach acht Jahren Pause ein spätes Comeback

(rsn) – Sonderlich viele Kontinental-Jahre hat Oliver Mattheis (Bike Aid) noch nicht auf dem Buckel. Dies liegt auch daran, dass der heute 29-Jährige seine aktive Radsportkarriere in seiner zweiten

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)