Seine Ideen veränderten den Radsport

Bob Stapletons Highroad-Story

Foto zu dem Text "Bob Stapletons Highroad-Story"
Bob Stapleton hat sein Herz an den Radsport verloren. Wann kehrt er zurück?| Foto: ROTH

08.12.2011  |  (rsn) - Das Ende des HTC-Highroad Teams hinterlässt eine große Lücke im internationalen Radsport. Nicht nur, weil die Mannschaft in den vergangenen vier Jahren mehr Rennen gewann als viele andere Teams zusammen genommen. Auch die wissenschaftliche Ausrichtung und die neue Art der Teamarbeit setzten Maßstäbe. Bob Stapleton hat als Rennstall-Besitzer seit 2007 den Verdienst, das ehemalige Telekom/T-Mobile-Team wieder seriös auf die Straße gestellt zu haben. Im Herbst sprach der englischsprachige Internet-Anbieter cyclingnews (http://www.cyclingnews.com/features/stapleton-the-peaks-and-troughs-of-highroads-journey) mit dem 53 Jahre alten Kalifornier.

Die Highroad-Story:

Nachdem er sein amerikanisches Telekomunikations-Unternehmen Voice-Stream für mehrere Milliarden Dollar an die Telekom verkauft hatte, wurde Bob Stapleton im Jahr 2003 Chef des T-Mobile Frauenteams. Vier Jahre später übernahm er auch das Männerteam, das wegen Jan Ullrichs Verwicklung in den Fuentes-Skandal vor dem Aus stand.

Obwohl er, wie er später gestand, nur qualifiziert war, Wasserflaschen zu verteilen, entwickelte sich Stpaleton zu einem gewitzten Manager mit einer ganz eigenen Sicht auf den Sport. "Der einzige Grund, warum ich es tat war, dass ich die Unterstützung von Menschen hatte, mit denen ich bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet hatte", erzählte er im Interview mit cyclingsnews. "Sie fragten mich, ob ich übernehmen wollte und gaben mir die vollständige Kontrolle. Ich habe gespürt, dass dieser Sport reif für einen Wandel war. Alle Skandale würden eine Änderung erzwingen und wir könnten dabei mitwirken, einen Sport zu verändern, der doch viele gute Eigenschaften hat, wie einen gesunden Lebensstil und eine gewisse Dramatik, die dazu führen, dass er weltweit im Fernsehen übertragen wird. Wenn wir die Art, wie das Spiel gespielt wird, ändern könnten, hätte es ein normes Potential."

Schon in seinem ersten Jahr beim Team musste Stapleton die beiden Teamärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid entlassen, die vom früheren Soigneuer Jef D'Hondt als Mitschuldige am organisierten Doping genannt wurden. Danach feuerte das Team den ukrainischen Zeitfahrspezialisten Sergej Gontschar, als bei ihm auffällige Blutwerte festgestellt wurden. Im Juli 2007 erwischte es Patrick Sinkewitz während der Tour de Franc – der Osthesse war bei einer Trainingskontrolle aus dem Frühjahr positiv auf Testosteron getestet worden. Zudem gab es deutliche Hinweise auf systematisches Doping im Team.

Es waren schwere Rückschläge für den Mann, der den ganzen Radsport verändern wollte. Stapleton: "Die fundamentale Herausforderung war, dass wir die halbe Besatzung rauswarfen und umfassende Änderungen in der Belegschaft und im Management vornahmen und es trotzdem nicht genug war. Wir hatten immer noch Fahrer unter Vertrag, die später für Probleme sorgen sollten. Die Beziehungen zu unseren Teamärzten waren gut, sie genossen hohes Vertrauen vom Sponsor, mir und ihrer Universität. Aber auch sie hatten Dreck an ihren Händen. Wir hatten immer noch schwarze Schafe im Team und diese zerstörten beinahe die 2007er Saison."

Es gab aber auch hoffnungsfrohe Zeichen, welche die Basis für die erfolgreichen nächsten Jahre bilden sollten. Da waren zum Beispiel die neu verpflichteten Fahrer, die sich ins Team integrierten und Highroad schließlich an die Spitze bringen sollten. "Noch im selben Jahr holten wir Cavendish, Pinotti und viele andere, machten auch so viele Änderungen, aber trotzdem gingen wir 2007 noch nicht weit genug“, so Stapleton.

Eines der Faktoren, die den Imagewechsel erschwerten, war der Entschluss von Sportdirektor Rolf Aldag und seinem ehemaligen Teamkollegen Erik Zabel, über ihre Dopingvergangenheit zu sprechen. Das war nicht Stapletons Idee, aber er saß mit ihnen in der Pressekonferenz, weil er wusste, dass er so den Wandel würde vorantreiben können. "Ich glaube, Rolf war fest entschlossen, etwas Großes in diesem Sport zu machen. Er wollte Klarheit schaffen. Er und Zabel waren über Jahre Zimmer- und Teamkollegen und sie wollten sich von der Vergangenheit befreien, um wieder gute Arbeit im Radsport abliefern zu können." Stapleton weiter: „Es gab schon viele schwache Geständnisse im Sport, aber die Beiden sind zum deutschen Fernsehen gegangen und haben vor fünf oder sechs Millionen Zuschauern alles gesagt. Es war glasklar, dass sie das taten, um den Wandel des Radsports zu beschleunigen. Es hätte sonst keinen Grund für sie gegeben, so etwas zu tun."

Ein weiterer Baustein im Vorhaben, das Team umzukrempeln, war die Einführung der unabhängigen Tests, die mit Heinrich und Schmid begannen und sich später zu einem System entwickelten, das den Biologischen Pass der UCI vorwegnahm. Das Team führte ein Verfahren zur Messung des Blutvolumens ein, um Transfusionen zu entdecken. Dieses Konzept wurde in der folgenden Saison erweitert, als Highroad die Agency for Cycling Ethics (ACE) gründete und später den anerkannten Anti-Dopinexpreten Don Catlin als Verantwortlichen für die unabhängigen Tests gewann.

Stapleton: "Im Geschäft macht man so etwas ständig. Du beauftragst einen unabhängigen Beobachter und lässt überprüfen, wie du arbeitest. Mir gefällt diese Herangehensweise. Ich wollte das gerne weiterführen, besonders seit der Biologische Pass eingeführt wurde. Wir haben das früh unterstützt und mit der ACE starteten wir ein Programm, welches das Bio-Pass-Testen noch erweitern wird. Wir haben das in das Programm mit Catlin eingebracht und vollkommen in die UCI und WADA-Tests integriert. Dies war eine Besonderheit unseres Teams“, berichtete er. „Ich denke, das war ein großer Schritt in der Dopingbekämpfung und für mich war es ein wichtiger Teil der Arbeit, die wir taten, um Doping von unserem Team fernzuhalten."

Zudem heuerte Stapleton Fahrer an, die verstanden, was von ihnen in Sachen Transparenz erwartet werden würde. "Wir werteten alle Resultate der Athleten aus, bevor wir sie verpflichteten. Sie wussten, was für eine Testfrequenz auf sie zukam und dass sie bei jedem Anzeichen von unerlaubten Substanzen gefeuert werden würden“, so Stapleton. „Sie wussten von den ernsten Konsequenzen, den hohen Erwartungen und dass es die umfangreichsten Tests auf diesem Planeten werden würden.“

Laut Stapleton gefielen diese Regeln nicht jedem Fahrer, den man verpflichten wollte. Andere wiederum, so zum Beispiel der Kanadier Michael Barry, der 2007 vom Discovery-Team kam, unterstützten dieses Vorgehen nachdrücklich. "Manche Fahrer hat es abgeschreckt, andere hingegen bestärkt und insgesamt hat es das Team zusammengebracht. Du hast dich im Bus umgeschaut und wusstest, das sind Kollegen, denen du vertrauen kannst. Das hat sich auf die Rennen ausgewirkt. Unser Verhaltenskodex hat geholfen, das Team zusammenzuschweißen", glaubt Stapleton.

Als sich die Saison 2007 dem Ende zuneigte, war die Operación Puerto in Spanien im Sande verlaufen, ohne das gegen die beschuldigten Fahrer Anklage erhoben worden wäre. Bei T-Mobile war die Vergangenheit noch längst nicht abgeschlossen. Eine weitere positive Dopingprobe – diesmal beim Italiener Lorenzo Bernucci - sorgte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für neuen Wirbel. Im November zog schließlich der Sponsor T-Mobile die Reißleine und einigte sich in finanzieller Hinsicht mit Stapleton, um vorzeitig aus dem noch bis 2010 laufenden Vertrag herauszukommen. So konnte der die Mannschaft weiterführen, die ab Januar 2008 unter dem Namen Highroad antrat.

Kritiker belächelten den Namen, aber Stapleton betonte, man wolle damit nicht überheblich wirken. "Der Name Highroad entstand im Jahr 2004. Es ging darum, wie Sport wirklich sein sollte. Es sollte darum gehen, sich stetig zu verbessern, sich Ziele zu setzen und zu arbeiten, um das zu erreichen. Der Name passte zu unserer Anti-Doping-Mission, aber das war eher Zufall. Es wurde schrecklich viel darüber gelästert. Jeder musste seinen Senf dazu abgeben: low road, high horse. Wir wollten damit nie unsere Überheblichkeit ausdrücken, es sollte nur unser Verhalten beschreiben. Andere konnten tun, was sie wollten und auch denken, was sie wollten. Aber wir würden es genauso machen. Es sollte nicht moralisieren sondern nur zeigen, für welche Werte wir stehen."

Schließlich war es Highroad, das zuletzt lachte. Stapleton war auf der Sponsorensuche erfolgreich, wenn auch immer nur kurzfristig. Drei Jahre lang finanzierte die US-amerikanische Freizeitbekleidungsfirma Columbia Sportswear das Team, ab dem Jahr 2009 kam der taiwanesische Handybauer HTC dazu. Seit dem 1. Januar 2011 hieß die Mannschaft schließlich HTC-Highroad, nachdem sich Columbia wieder zurückgezogen hatte.

Das Team gewann in vier Jahren mehr Rennen als andere in Jahrzehnten. Und das ganz ohne Skandale. Stapleton: "In gewissem Maße war das witzig, weil wir bei großen Dopingvorgängen irgendwie immer dabei waren. Als sie Riccardo Ricco bei der Tour 2008 schnappten, gewann Cavendish die Etappe. Saunier Duval parkte direkt vor uns und eines der Polizeiautos fuhr mir sogar über den Fuß, weil ich vor unserem Bus stand."

"Als Floyd Landis bei der Tour of California mit seiner kugelsicheren Weste und seinen Bodyguards auftauchte, waren Tony Martin und Michael Rogers auf Platz 1 und 2 beim Zeitfahren“, so Stpaleton. „Wir lieferten gute Leistungen ab, während der Sport selbst in großen Schwierigkeiten steckte."

Nicht wenige bedauern, dass es nun ohne Highroad weitergehen muss!

 

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