Exklusiv-Interview

Degenkolb: „Ich will mir meine Unbekümmertheit bewahren"

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John Degenkolb (Argos-Shimano) | Foto: ROTH

25.03.2013  |  (rsn) - John Degenkolb (Argos-Shimano) war einer der Überflieger des Jahres 2013, feierte zwölf Saisonsiege und fuhr zahlreiche Spitzenergebnissen bei den Klassikern ein. Dieses Jahr lief es beim 24-Jährigen allerdings noch nicht rund. Im Exklusiv-Interview mit Radsport News betrieb Degenkolb Ursachenforschung und erklärte, wie er wieder in die Erfolgsspur zurückfinden möchte.

Wie sind Sie mit der bisherigen Saison zufrieden?

Degenkolb:
Die Bilanz, wenn man die Ergebnisse anschaut, ist nicht so reich ausgefallen. Ich habe aber bei San Remo kein schlechtes Rennen gezeigt, konnte aber auch nicht ins Finale mit eingreifen. Diesen Sprung in die Spitzengruppe habe ich verpasst. Die Tempoverschärfung konnte ich nicht mitgehen. Und auch im Sprint war ich zu kaputt, um Cavendish & Co. zu schlagen, die um Platz acht gesprintet sind. Bis dahin lief es bei San Remo für mich aber ganz gut.

Die Vorbereitung auf die Klassiker verlief nicht nach Plan…

Degenkolb: Ja, bei Tirreno-Adriatico hatte ich Probleme mit der Innenseite meines Oberschenks. Deshalb bin ich auch ausgestiegen, um den Start bei Mailand-San Remo nicht aufs Spiel zu setzen. So, wie es bei Tirreno war, hätte ich bei MSR nicht starten können.

Woher kamen diese Probleme?

Degenkolb: Das hat mit der Kälte zu tun. Wir sind drei, vier Tage lang nur im Regen gefahren, bei äußerst niedrigen Temperaturen. Wenn die Muskulatur nicht genug gedehnt wird und nicht genügend Regeneration bekommt und man dann wieder 240 Kilometer fährt, dann kann so was schon mal passieren.

Hat es auch deshalb bei Mailand - San Remo nicht für ganz nach vorne gereicht?

Degenkolb: Ja, das war auch mit ein Grund dafür. Letztes Jahr konnte ich Paris-Nizza durchfahren. Aber in diesem Jahr fehlen mir einfach etwas die Rennkilometer. So war es auch beim E3 Prijs, als ich die ersten vier Stunden gut mithalten konnte. Aber nach 160 Kilometer kam der Mann mit dem Hammer, der Tank war leer.

Bereiten Ihnen Regen und Kälte prinzipiell Probleme?

Degenkolb: Eigentlich nicht, aber es gibt immer Dinge, die irgendwann zum ersten Mal auftreten. Es war aber für mich selbst sehr überraschend.

Mit der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix stehen noch zwei große Rennen an. Was trauen Sie sich dort zu?

Degenkolb: Bis dato läuft es bei mir nur bis zum Kilometer 160 rund. Aber Flandern und Roubaix sind 100 Kilometer länger. Ich muss auf jeden Fall noch einen Schritt in meiner Form und Standfestigkeit machen. Wenn ich den mache, dann traue ich mir bei diesen Rennen schon einiges zu.

2013 gehen Sie zum dritten Mal bei den großen Klassikern an den Start. Welche Lehren ziehen Sie aus den vergangenen beiden Jahren?

Degenkolb: Es gibt immer Dinge, die man dazulernt. Bei Flandern muss man sich die Stellen, bei denen man vorne sein muss, gut einprägen. Am Kwaremont etwa muss man mindestens unter den ersten Zehn reinfahren. Da möchte ich im Positionskampf ein gutes Händchen haben.

Nach den Pflaster-Rennen stehen die Ardennen-Klassiker an. Werden Sie das Amstel Gold Race fahren?

Degenkolb: Das ist ein Rennen, das mich reizen würde. Es ist aber noch nicht entschieden, ob ich fahren werde. Man muss einfach abwarten, wie sich meine Form entwickeln wird. Wenn ich nach Roubaix völlig kaputt bin, dann würde es keinen Sinn machen, noch eine Woche dranzuhängen.

Bei der WM, die kurz hinter dem Cauberg geendet hat, sind Sie Vierter geworden. Das Rennen müsste Ihnen also liegen…

Degenkolb:
Den Vergleich möchte ich nicht gelten lassen. Es war ein ganz anderes Rennen, es wurden viel weniger Berge gefahren. Ob das Amstel Gold Race schwieriger ist, kann ich nicht sagen, da ich es noch nicht bis zum Finale voll gefahren bin.

Welchen großen Klassiker würden Sie am liebsten gewinnen?

Degenkolb: Im Endeffekt habe ich zwei große Favoriten, Mailand-San Remo und Paris-Roubaix. Darauf fiebere ich das ganze Jahr hin.

Bei Mailand-San Remo hat Gerald Ciolek gewonnen. Sind Sie etwas neidisch, dass ihm der große Coup geglückt ist und nicht Ihnen selbst?

Degenkolb: Neidisch würde ich nicht sagen. Gerald war superstark, hat eine tolle Leistung abgeliefert. Er konnte am Poggio mitgehen, ich hingegen war dazu nicht in der Lage. Am Ende ist es schön, dass ein Deutscher gewonnen hat und ich hoffe, dass es in der Öffentlichkeit entsprechend wahr genommen wird.

Wird nach den Klassikern auch der Giro auf Ihrem Programm stehen?

Degenkolb: Das ist noch nicht entschieden. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Tour. Die Entscheidung fällt nach Roubaix, die Chancen stehen 50:50 würde ich sagen.

Was haben Sie sich für Ihre erste Tour de France vorgenommen?

Degenkolb: Ich bin ja noch nicht die Tour gefahren, traue mir aber einen Etapppensieg zu. Ich weiß auch, dass es in der Vergangenheit viele Fahrer gab, die vor ihrem ersten Tourstart schon einige Erfolge gefeiert haben, bei der Tour dann aber länger gebraucht haben, um zuzuschlagen. Das kann mir in diesem Jahr natürlich auch passieren. Mit einem Etappensieg würde aber definitiv auch ein Traum für mich wahr werden.

Was wäre Ihnen wichtiger: ein Tour-Etappensieg oder ein Sieg bei einem große Klassiker?

Degenkolb: Da würde mir ein Sieg bei Paris-Roubaix doch etwas mehr bedeuten.

Bei der Tour werden Marcel Kittel und Sie als Doppelspitze für Argos-Shimano starten. Wird das funktionieren?

Degenkolb: Marcel und ich sprechen natürlich über die Tour. Im letzten Jahr bei der Eneco-Tour haben wir sehr gut harmoniert. Ich habe ihm zu zwei Etappensiegen verholfen, ich selbst hätte selbst auch beinahe eine Etappe gewonnen. Das zeigt, dass es kein Problem sein wird, mit zwei Sprintkapitänen ins Rennen zu gehen.

Im letzten Jahr waren Sie äußerst erfolgreich, der erste Saisonsieg ist Ihnen dabei aber auch erst im Mai geglückt. Stimmt Sie das auch optimistisch für diese  Saison?

Degenkolb: Es ist natürlich klar, dass der Druck immer größer wird, wenn man keinen Sieg auf dem Konto hat. Ich vertraue jetzt aber einfach auf das, was ich kann. Ich will locker in die Rennen gehen, denn letztlich habe ich nichts zu verlieren. Ich bin immer noch jung und habe einige Jahre vor mir. Ich versuche mir meine Unbekümmertheit zu bewahren und so dann auch Rennen zu gewinnen.


Mit John Degenkolb sprach Christoph Adamietz.

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