Pole jüngster Weltmeister seit Freire 1999

Kwiatkowski vergoldet in Ponferrada die Gala seines Teams

Foto zu dem Text "Kwiatkowski vergoldet in Ponferrada die Gala seines Teams"
Michal Kwiatkowski wird in Ponferrada Staßenweltmeister. | Foto: Cor Vos

29.09.2014  |  (rsn) – Michal Kwiatkowksi ist nicht nur der erste Pole, der in einem WM-Straßenrennen der Profis das Regenbogentrikot erobert hat. Mit seinen 24 Jahren ist der Teamkollege von Tony Martin ist der jüngste Weltmeister, seit 1999 der damals 23-jährige Oscar Freire sich seinen ersten von insgesamt drei Titeln sicherte.

Dabei holte sich Kwiatkowski in Ponferrada nach 14 Runden (254,8) im Stil eines Routiniers die Goldmedaille vor den jeweils zehn Jahre älteren Simon Gerrans und Alejandro Valverde, der den Gastgebern zum Abschluss der Titelkämpfe zumindest noch eine Medaille sicherte. Leer gingen die Deutschen aus. John Degenkolb, der nach seinem Krankenhausaufenthalt in der vergangenen Woche noch nicht wieder auf Top-Niveau war, belegte nach einer überzeugenden Vorstellung des deutschen Aufgebots Rang neun.

Ebenfalls beeindruckend war die Vorstellung der polnischen Mannschaft, die wie die Deutschen in der Maximalstärke von neun Fahrern antreten konnte. In der ersten Hälfte des Rennens sorgten Kwiatkowskis Helfer für das Tempo im Feld, das den Litauer Zydrunas Savickas, den Kroaten Matija Kvasina, den Kolumbianer Carlos Quintero und den Ukrainer Oleksandr Polivoda jagte. Das Quartett hatte sich kurz nach dem Start im zweiten Anstieg des Tages aus einer zu diesem Zeitpunkt sieben Fahrer starken Ausreißer-Formation gelöst.

Im zunächst starken Regen, der mit dem Startschuss eingesetzt hatte, hielten sich die Teams die Favoriten zurück, so dass sich das Quartett eingangs der fünften Runde einen Vorsprung von rund 15:30 Minuten erarbeiten konnte. Dann organisierten das deutsche und das polnische Team die Verfolgung. Es waren allerdings die Polen, die sich ab der sechsten Runde in voller Mannschaftsstärke vor das Feld spannten – um ihren Kapitän Kwiatkowski aus allen möglichen Schwierigkeiten herauszuhalten, wie der polnische Nationaltrainer erklärte.

In der zehnten Runde dann schmolz bei immer wieder einsetzenden starken Regenschauern der Vorsprung der Ausreißer schnell zusammen – vor allem, weil sich nun die Italiener das Kommando im Feld übernahmen, während bis auf Michal Golas und Maciej Paterski alle von von Kwiatkowskis Helfern ihre Arbeit erledigt hatten und ausstiegen.

In Runde elf setzte sich Quintero nochmals kurzzeitig von seinen Begleitern ab, wurde aber schließlich auch gestellt, nachdem Giovanni Visconti und vor allem Fabio Aru das Tempo so hoch geschraubt hatten, dass sich eine neue, zwölf Fahrer starke Spitzengruppe bildete, in der auch Simon Geschke und Tony Martin dabei waren. Der Zweite des WM-Zeitfahrens löste sich im nun strömenden Regen in einer Abfahrt von seinen Begleitern, wurde aber in der 12. Runde wieder gestellt.

Die Verfolger, nunmehr angeführt von den Belgiern und den Australiern, ließ die stark besetzte Gruppe – die aus Sep Vanmarcke, Daniel Navarro, Tim Wellens, Christopher Juul Jensen, Yury Trofimov, Peter Kennaugh, Edvald Boasson Hagen, Giampaolo Caruso, Michael Albasini, Visconti, Martin und Geschke bestand – allerdings nicht ziehen.

Nach vergeblichen Attacken von Visconti und Kennaugh formierte sich aus dem Feld heraus eine neue Spitzengruppe mit dem Italiener Alessandro De Marci, dem Franzosen Cyril Gautier, dem Dänen Michael Valgren und dem Weißrussen Vasil Kiryenka, die mit einem Vorsprung von gut einer halben Minuten die Schlussrunde in Angriff nahmen.

Doch im noch immer gut 60 Fahrer starken Feld wurde das Tempo vor allem von den Spaniern jetzt so hoch geschraubt, dass der Abstand schließlich nur noch wenige Sekunden betrug. Sieben Kilometer vor dem Ziel zog Kwiatkowski, der lange Zeit praktisch abgetaucht war, dann unwiderstehlich in der zweitletzten Abfahrt davon, schloss zur Spitzengruppe auf und ließ diese im letzten Anstieg hinter sich. „Ich hatte diese Attacke nicht geplant, aber ich habe die Gelegenheit gesehen, nach vorne zu gelangen, und habe sie ergriffen“, schilderte er die vorentscheidende Szene.

Hinter dem Polen formierte sich eine Verfolgergruppe mit Gerrans, Valverde, den Belgiern Greg Van Avermaet und Philippe Gilbert, dem Dänen Matti Breschel und dem Franzosen Tony Gallopin, wogegen die Sprinter wie Degenkolb, Alexander Kristoff oder Nacer Bouhanni den Kontakt verloren.

Doch auch der Gruppe um Gerrans und Valverde gelang es nicht, Kwiatkowski, der mit mehr als 80 Stundenkilometer die Abfahrt zum Ziel hinab jagte, noch einzufangen. „Ich hatte so starke Schmerzen nach der letzten Abfahrt und eineinhalb Kilometer sind noch ein langer Weg. Ich hatte ja nur einen kleinen Vorsprung und wusste, dass es um alles oder nichts ging. Ich bin ein hohes Risiko eingegangen, aber es hat geklappt,obwohl ich nicht weiß, wie ich das geschafft habe“, kommentierte Kwiatkowksi das Finale, in dem er alle Konkurrenten tatsächlich auf Distanz halten konnte.

Schon einige Meter vor der Ziellinie nahm er sich die Zeit, die Arme zum Jubeln nach oben zu reißen, während sich die Verfolger einen packenden Kampf um die Medaillen lieferten, den Gerrans vor Valverde für sich entschied.

„Ich wollte Silber, aber Gerrans ist schnell und er war der Fahrer, der mir in der Gruppe die meisten Sorgen machte“, sagte Valverde nachdem er seine insgesamt sechste Medaille (4 x Bronze, 2 x Silber, d. Red.) in einem WM-Straßenrennen erhalten hatte. Zu Gold hatte es wieder nicht gereicht, auch wenn nach Valverdes Worten alle Fahrer der Verfolgergruppe kooperierten „und wir Kwiatkowksi fast noch eingefangen hätten.“

Während der spanische Kapitän – zumindest nach außen - einen zufriedenen Eindruck zu vermitteln versuchte, machte Gerrans aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. „Um ehrlich zu sein, als ich die Ziellinie überquerte, hätte ich am liebsten losgeheult“, kommentierte der Lüttich-Bastogne-Lüttich-Gewinner seinen zweiten Platz. „So nahe am Weltmeistertitel dran zu sein und zu erleben, wie er dir auf den letzten Kilometern entgleitet…“, führte Gerrans den Satz nicht zu Ende „Ich wusste, ich hatte gute Beine. Wenn die Dinge im Finale ein wenig anders gelaufen wären, hätte ich um den Sieg mitfahren können“, fügte der australische Kapitän an.

Dagegen war die Goldmedaille für Degenkolb an diesem Tag in unerreichbarer Ferne. Der 25-Jährige kam in der zweiten Verfolgergruppe an und belegte hinter Kristoff und vor Bouhanni den neunten Platz – angesichts der unglücklichen Vorgeschichte ein zufrieden stellendes Ergebnis, das auch deshalb zustande kam, weil das deutsche Team seinen Kapitän bis in den letzten Berg hinein beschützen konnte.

Mit Geschke, Dominik Nerz und Paul Martens waren gleich drei Helfer noch im Finale an Degenkolbs Seite. Doch nach dem einwöchigen Krankenhausaufenthalt fehlte ihm die letzte Kraft, wie Degenkolb im Ziel erklärte: „Ich habe mich heute nicht super wohl gefühlt und habe den letzten Punch vermisst und den braucht man eben, um hier um die Medaillen mitzufahren.“

Auf die Hilfe seines Teams konnte Kwiatkowksi auf den letzten Kilometern zwar nicht mehr bauen – doch das war auch nicht nötig, denn die polnische Mannschaft hatte zuvor taktisch alles richtig gemacht und ihrem Kapitän den Weg geebnet.

„Als Team haben wir heute eine unglaubliche Leistung gebracht“, schwärmte der neue Weltmeister im Ziel. „Wir haben versucht, den ganzen Tag über das Feld zu kontrollieren und waren die ganze Zeit vorne.“ Das stimmte zwar nicht ganz, aber diese Übertreibung war der Euphorie des bisher größten Moments in Kwiatkowksis Sportlerleben geschuldet.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.03.2015Ponferrada hat nach der WM mit dickem Minus zu kämpfen

(rsn) – So gut die Straßen-Weltmeisterschaften im vergangenen September für den Bund Deutscher Radfahrer verlaufen sind, und so reibungslos in Ponferrada alles für die Medienvertreter und Zuschau

23.10.2014Verdienstkreuz in Gold für Weltmeister Kwiatkowski

(rsn) – Nach Rafal Majkas beiden Etappensiegen bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt und Michal Kwiatkowskis Sensations-Coup bei der Straßenweltmeisterschaft ist der polnische Radsport, der bi

12.10.2014Kwiatkowksi präsentierte sich in Torun seinen Fans

(rsn) – Für Michal Kwiatkowski ist die Saison 2014 zu Ende. Bevor der Straßenweltmeister in die verdiente Renn- und Trainingspause ging, zeigte er sich seinen Fans am vergangenen Sonntag im Regenb

10.10.2014Herklotz wehrt sich gegen Grabschs Kritik

(rsn) – Während mit Sprinter Phil Bauhaus (zu Bora Argon 18) einer der beiden Kapitäne das Team Stölting in Richtung zweite Liga verlässt, bleibt mit Rundfahrer Silvio Herklotz die andere wichti

30.09.2014Millar: In Ponferrada schloss sich der Kreis

(rsn) - David Millar hat am Sonntag im WM-Straßenrennen von Ponferrada seinen Abschied vom Profiradsport gegeben. Der 37 Jahre alte Schotte, der noch einmal für das britische Team nominiert worden w

30.09.2014Martin: „Kwiatkowskis Titel beste Alternative zu deutschem Sieg"

(rsn) – Nach dem WM-Straßenrennen von Ponferrada hat Tony Martin eine positive Saisonbilanz gezogen. „Insgesamt bin ich zufrieden, auch wenn ich das Zeitfahrergebnis bei der WM dabei ein bisschen

30.09.2014Kwiatkowski interessierte nur die Goldmedaille

(rsn) - Dass Patrick Lefevere ein Näschen für Radsport-Talente wie kaum anderer hat, ist hinlänglich bekannt. Der belgische Teammanager weiß, wie man mit den Champions der Zukunft umgehen und

29.09.2014Cancellara jagt weiter dem Regenbogentrikot hinterher

(rsn) – Fabian Cancellara jagt weiter seinem ersten Weltmeistertitel auf der Straße hinterher. Der Schweizer, als einer der Gold-Kandidaten in das 254,8 Kilometer lange Straßenrennen von Ponferrad

29.09.2014BDR-Nachwuchs verspricht eine goldene Zukunft

Ponferrada (dpa/rsn) - Rudolf Scharping soll sich fast täglich von China aus per Telefon nach dem Rechten erkundigt haben. Die Nachrichten von der Straßen-WM in Ponferrada dürften den BDR-Präsiden

28.09.2014Kwiatkowski ließ sich in Ponferrada auf keine Spielchen ein

(rsn) - Auf diesen Tag haben die polnischen Fans lange warten müssen. Vor 25 Jahren sicherte sich Joachim Halupczok im französischen Chambery das Regenbogentrikot des Amateur-Weltmeisters. Am

28.09.2014Mehrere Verletzte bei Autounfall im WM-Straßenrennen

(rsn) - Bei einem schweren Unfall im WM-Straßenrennen sind am Sonntag mehrere Personen verletzt worden. Auf einer der regennassen Abfahrten prallte der Begleitwagen des norwegischen Teams gegen einen

28.09.2014Degenkolb fehlte die Kraft für den letzten Punch

Ponferrada (dpa) - Die erste große Enttäuschung war bei John Degenkolb nach einem Kuss seiner schwangeren Frau Laura verflogen. „Ich habe das Potenzial, da vorne mitzufahren. Dort sehe ich mich au

Weitere Radsportnachrichten

04.06.2024Vuelta-Start 2025 wahrscheinlich im Piemont

(rsn) – Nachdem die Vuelta a Espana 2024 im August in Lissabon in Portugal beginnen wird, könnte auch 2025 ein Auslandsstart die Spanien-Rundfahrt eröffnen. Das hat Renndirektor Javier Guillen nun

03.06.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

03.06.2024Roglic gewinnt nicht die Etappe, aber ein gutes Gefühl

(rsn) – Den anvisierten Etappensieg verpasste Primoz Roglic am zweiten Tag des Critérium du Dauphiné. Doch unter den Klassementfahrern hat der Kapitän von Bora – hansgrohe nach der 2. Etappe tr

03.06.2024Zeitnahme-Auswertung hält Denz beim Dauphiné im Rennen

(rsn) – Nico Denz ist am Ende der 2. Etappe beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) auf dem Col de la Loge kurz vor dem letzten Teamfahrzeug von Bora – hansgrohe und dem Besenwagen ins Ziel gekommen.

03.06.2024Froome und Woods reagieren auf L´Equipe-Bericht

(rsn) – Chris Froome und Michael Woods haben über die Social-Media-Plattform X auf einen Bericht der L'Equipe reagiert, in dem am Montag nahegelegt worden war, es habe im vergangenen Jahr Meinungsv

03.06.2024Cort Nielsen spurtet im Nebel noch an Ausreißer Armirail vorbei

(rsn) – Für Bruno Armirail (Decathlon – AG2R La Mondiale) muss es der Nebel des Grauens gewesen sein, der im Ziel der 2. Etappe der Dauphiné-Rundfahrt (2.UWT) dicht über dem Col de la Loge hing

03.06.2024Ferrand-Prévot beendet MTB-Karriere nach dieser Saison

(rsn) – Pauline Ferrand-Prévot will im kommenden Jahr ins Straßen-Peloton zurückkehren. Das hat die Weltmeisterin im Cross-Country auf dem Mountainbike gegenüber Eurosport bestätigt. Die FranzÃ

03.06.2024Uijtdebroeks kehrt bei Tour de Suisse ins Peloton zurück

(rsn) – Nach seinem krankheitsbedingt frühen Aus beim Giro d´Italia (2.UWT) wird Cian Uijtdebroeks (Visma – Lease a Bike) am Sonntag bei der Tour de Suisse (2.UWT) wieder ins Renngeschehen zurü

03.06.2024Politt: Mit Pogacar-Rückenwind über Dauphiné und DM zur Tour

(rsn) – Auch wenn die 1. Etappe des Critérium du Dauphiné (2.UWT) den Sprintern vorbehalten zu sein schien und es am Ende auch zur erwarteten Massenankunft kam, so hat ein Deutscher im Finale des

03.06.2024Polin Mul gewinnt die Sportland NÖ Womens Tour

(rsn) – Mit einer schweren Bergankunft am Hochkar endete die Sportland NÖ Womens Tour in Niederösterreich am Sonntag. Österreichs einziges Etappenrennen für Frauen wurde von der Polin Malwina Mu

03.06.2024Froome in diesem Jahr angeblich für die Tour wieder gesetzt

(rsn) – Nach den großen Diskussionen um seine Ausbootung im vergangenen Jahr soll Chris Froome seinen Startplatz bei der Tour de France in diesem Jahr angeblich sicher haben. Das berichtet jedenfal

03.06.2024Bennett ging im Sprint gegen Pedersen die Kraft aus

(rsn) – Die Auftaktetapp des Critérium du Dauphiné (2.UWT) am Sonntag war die größte Chance für die Sprinter auf einen Tageserfolg im Verlauf der Woche bei der sogenannten Tour-Generalprobe. Un

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Critérium du Dauphiné (2.UWT, FRA)