RSN-Serie: Die Erben von Cancellara & Boonen

Edward Theuns: Aus der zweiten Reihe ins Rampenlicht

Von Daniel Brickwedde

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Edward Theuns (Trek-Segafredo) | Foto: Cor Vos

25.03.2017  |  (rsn) - Ganz der Alte ist er noch nicht wieder. Nach einem schweren Sturz während der vergangenen Tour de France wird Edward Theuns">Edward Theuns noch immer von Rückenschmerzen geplagt. Eine Windböe erfasste ihn damals im Einzelzeitfahren der 13. Etappe und führte zu einem gebrochenen Rückenwirbel und vier Monaten Rennpause. Das jähe Ende einer beachtlichen ersten WorldTour-Saison. Es ist die leidvolle Seite am Radsport.

Dabei könnte Theuns heute auch ein anderes Leben führen – als Student oder mittlerweile auch als Psychotherapeut. Stattdessen ist er aber Radprofi, fährt die ganz großen Rennen und träumt von den Klassikern. Erheblichen Anteil daran hat das Team Topsport Vlaanderen, ohne das er heute nicht Profi wäre, wie der Belgier freimütig im Gespräch mit radsport-news.com zugibt.

Der Zweitdivisionär gilt als Talentschmiede, besonders für Fahrer, die im dichten belgischen Nachwuchsbereich nicht auf Anhieb den großen Sprung schaffen – so wie Theuns. Er studierte nebenbei Physiotherapie, machte seinen Bachelor und ordnete dem Radsport nicht alles unter. "Im Amateurbereich war ich ein ordentlicher Fahrer, aber keines dieser Riesentalente", erzählt er.

Ein zweiter Platz als Schlüsselerlenis

Dennoch erhielt er 2014 die Möglichkeit bei Topsport Vlaanderen, worauf er mit 23 Jahren sein Master-Studium unterbrach, mehr und professioneller trainiert und den entscheidenden Entwicklungssprung schaffte. "Die komplette Fokussierung auf den Sport führte zu enormen Verbesserungen bei mir“, erklärt Theuns.

Der mittlerweile 25-Jährige nutzte seine Chance und die Ergebnisse kamen: Theuns wurde 2015 jeweils Zweiter bei Rund um Köln und dem Scheldeprijs und gewann den kleinen Klassiker Ronde von Drenthe. Ein weiterer zweiter Platz beim Dwars door Vlaanderen wurde schließlich zum Schlüsselerlebnis: "Ab da wusste ich, dass ich auch bei den flämischen Rennen um den Sieg mitfahren kann. Ein wichtiger Schritt". Für ihn ist es die Eintrittskarte in die WorldTour zum Team Trek-Segafredo.

In der amerikanischen Mannschaft weiß man um sein Talent, aber auch um seine Grenzen. "Er ist ein Kämpfer und er kann überall ein wenig gewinnen. Aber ich weiß nicht, ob er den ganzen großen Sieg erringen kann“, sagt sein Sportlicher Leiter Kim Andersen.

"Flandern und Roubaix haben mich gekillt"

Das Niveau eines Jasper Stuyven traut ihm das Team - noch - nicht zu. "Beide sind gute Sprinter, Theuns ist allerdings ein wenig sprintstärker. Dafür hat Stuyven den größeren Motor, wenn wir über die wirklich harten Rennen wie Flandern oder Roubaix sprechen", sagt Dirk Demol, bei Trek-Segafredo verantwortlich für die Klassiker.

Eine Einschätzung, die auch Theuns teilt. "Flandern und Roubaix haben mich im vergangenen Jahr gekillt. Sie waren einfach zu lang für mich", erklärt er. Eine Schwachstelle, an der er arbeiten will – genauso wie an seiner Geschwindigkeit und Explosivität. "Das sind Dinge, die Klassiker entscheiden können. Und ein guter Sprint ist immer eine Waffe", ist er sich sicher.

Seine Sprintfähigkeiten sorgten im Vorjahr für einige beachtliche Resultate, darunter einen Etappensieg bei der Belgien-Rundfahrt und auf Anhieb die Normierung zur Tour de France. Auch hier erzielte er zwei Top-Ten-Platzierungen – ehe der schwere Sturz seine Saison beendete.

Näher an die Spitze herankommen

Mit der Verpflichtung von John Degenkolb sind ihm allerdings einige Chancen genommen worden – besonders für die Klassiker. "Mit Fabian Cancellara konnte ich vergangenes Jahr bei einigen Rennen auch eigene Ambitionen nachgehen. Er war kein Sprinter. Mit Degenkolb ist das nun anders. Er hat ein großes Palmares und daher ist es normal, dass ich ihm helfen werde“, erklärt Theuns, der sich bewusst ist, dass Degenkolb und Stuyven in der Team-Hierarchie über ihm stehen. Er hofft bei kleineren Rennen auf seine Chance – auch, um dadurch näher an die Spitze heranzukommen.

Denn für ihn als Flamen bleiben die belgischen Klassiker das ganz große Ziel. "Wer hier lebt und hier trainiert, für den sind das wirklich epische Rennen", erklärt Theuns und fügt an: "Und die schönsten Rennen, um sie zu gewinnen".

Theuns mag nicht über die Siegermentalität eines Stuyven verfügen und steht auch medial nicht im Fokus wie sein junger Landsmann Tiesj Benoot (Lotto Soudal). Er wird voraussichtlich kein Dauersieger bei den Klassikern. Dennoch sollte man ihn nicht unterschätzen, denn die Fähigkeiten und den nötigen Willen für diese Rennen vereint er allemal in sich.

Und die Flandern-Rundfahrt hat schon einige Fahrer aus der vermeidlich zweiten Reihe als Sieger gesehen. Unter anderem in jüngster Vergangenheit einen Stijn Devolder – und der fand seinen Weg in den Spitzen-Radsport auch über Topsport Vlaanderen.


Mit Tom Boonen verlässt ein Jahr nach Fabian Cancellara die andere große Klassiker-Figur des vergangenen Jahrzehnts die Radsport-Bühne. Unmittelbare Nachfolger wie Peter Sagan oder John Degenkolb haben sich längst positioniert – aber wer besitzt noch das Potenzial, die kommende Dekade auf dem Pavé zu prägen? In der Serie "Die Erben von Cancellara & Boonen“ stellt radsport-news.com fünf junge interessante und vielversprechende Profis vor, die großes bei den Klassikern erreichen können.

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